Forschung

Studie zu Bewegungstrainern bei der ALS: intensive Nutzung und hohe Zufriedenheit

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Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) erleiden fortschreitende Lähmungen der Arme und Beine. Mit therapeutischen Bewegungstrainern stehen Hilfsmittel zur Verfügung, die eine gerätegestützte Physiotherapie der Beine und Arme in der Häuslichkeit ermöglichen. Therapeutische Bewegungstrainer für die Arme und Beine bieten, in Abhängigkeit vom Schweregrad der Lähmung, einen aktiven oder passiven Modus der gerätegestützten Physiotherapie an.

Wie häufig werden therapeutische Bewegungstrainer genutzt und wie ist das subjektive Erleben der gerätegestützten Physiotherapie sowie die Zufriedenheit mit dem Hilfsmittel bei Menschen mit ALS? Eine von Ambulanzpartner unterstützte wissenschaftliche Studie geht diesen Fragen nach. Die Ergebnisse der Studie sind so aufschlussreich, dass sie auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie im November 2020 vorgestellt wurden.

In der Studie wurden 106 Patienten mit ALS (Frauen: 64%, n=68; Männer: 36%, n=38) analysiert, die mit einem therapeutischen Bewegungstrainer versorgt waren. Die Studie wurde von Februar 2019 bis Januar 2020 an neun spezialisierten ALS-Zentren durchgeführt. Die Datenerfassung mit einem strukturierten Interview erfolgte über die Management- und Forschungsplattform www.ambulanzpartner.de.Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) erleiden fortschreitende Lähmungen der Arme und Hände. Mit therapeutischen Bewegungstrainern stehen Hilfsmittel zur Verfügung, die eine gerätegestützte Physiotherapie der Beine und Arme in der Häuslichkeit ermöglichen. Therapeutische Bewegungstrainer für die Arme und Beine bieten, in Abhängigkeit vom Schweregrad der Lähmung, einen aktiven oder passiven Modus der gerätegestützten Physiotherapie an.

Häufigkeit der Nutzung des therapeutischen Bewegungstrainers

Die Mehrheit der Patienten (60%) nutzt den therapeutischen Bewegungstrainer mindestens 5 Mal pro Woche. Fast 9% erhalten sogar über 10 Mal pro Woche eine gerätegestützte Physiotherapie. Lediglich 19% nutzen das Hilfsmittel nur mit 1 bis 2 Anwendungen pro Woche. Die genaue wöchentliche Nutzungshäufigkeit ist in der Abbildung dargestellt.



Abbildung: Wöchentliche Anwendungshäufigkeit des therapeutischen Bewegungstrainers, n=104

Nutzen der gerätegestützten Physiotherapie aus Sicht der Patienten

Aus den Erfahrungen der Patienten ergibt sich folgendes Bild zum Nutzen der therapeutischen Bewegungstrainer. Vier Behandlungsbereiche erreichen eine besonders hohe Zustimmung: Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens (98%), Verminderung des Gefühls der Bewegungslosigkeit, Verbesserung des Gefühls „etwas geschafft zu haben“ und Verminderung des Gefühls des „Einrostens“ (jeweils 97%). Die beiden Behandlungsziele Verminderung der Muskelsteifigkeit (92%) und Bewahrung der Muskelkraft (91%) erhielten ebenso eine hohe Bestätigung. Weitere wichtige Effekte sind in der folgenden Abbildung dargestellt.



Abbildung: Subjektiver Nutzen der gerätegestützten Physiotherapie

Zufriedenheit von Patienten mit dem therapeutischen Bewegungstrainer

Die Zufriedenheit mit dem therapeutischen Bewegungstrainer wurde durch die sogenannte Weiter­empfehlungswahrscheinlichkeit anhand des Net Promotor Score (NPS) ermittelt: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie den Bewegungstrainer, einem Freund (m/w) oder Kollegen (m/w), der an einer Spastik oder schlaffen Parese lei­det, weiter­em­pfehlen wür­den?“ Die Antworten erfolgten auf einer Skala zwischen 0 (absolut unwahrscheinliche Weiterempfehlung) und 10 (höchstwahr­scheinliche Weiter-empfehlung) Punkten.

Die Weiter­em­pfeh­lungswahrscheinlichkeit für den therapeutischen Bewergungtrainer wurde mit einem NPS von +61 Punkten (NPS-Skala -100 bis +100, > 0 = positive Bewertung) bewertet. Das entspricht einer sehr hohen Zufriedenheit mit dem Hilfsmittel.



­ Abbildung: Net Promoter Score (NPS) zur Zufriedenheit mit einem therapeutischen Bewegungstrainer, n=105

Patienten mit ALS nutzen therapeutische Bewegungstrainer intensiv und sind mit ihnen sehr zufrieden

Die Studie erlaubt erstmals einen vertieften Einblick in das Thema therapeutische Bewegungstrainer für Patienten mit ALS. Das Thema ist insbesondere aufgrund der restriktiven Kostenübernahme der Versorgung durch die Krankenkassen umstritten. Die Mehrheit der Patienten mit ALS (60%) nutzt den therapeutischen Bewegungstrainer mit mindestens 5 Anwendungen pro Woche und erhält damit eine hochfrequente gerätegestützte Physiotherapie in Ergänzung zur phy­sio­therapeutischen Versorgung. Aus Sicht der Patienten werden die untersuchten subjektiven Behandlungsziele einer gerätegestützten Physiotherapie fast durchgängig erreicht. Die Zufriedenheit der Patienten mit dem therapeutschen Bewegungstrainer ist sehr hoch (NPS: +61, ein NPS > 50 gilt als „exzellent“).

Die Studie zeigt deutlich das Behand­lungs­potenzial von therapeutischen Bewegungstrainern bei der ALS. Bislang sind die Einsatzmöglichkeiten eines Bewegungstrainers bei der ALS jedoch unzureichend bekannt und unterkommuniziert.

Um die Behandlungsmethode weiterzuentwickeln, gilt es in zukünftigen Studien herauszufinden, ob durch eine gerätegestützte Physiotherapie auch eine Verbesserung von Funktionen (z. B. durch eine Verminderung der Spastik) erreicht werden kann. Auch wie sich die Nutzung von therapeutischen Bewegungstrainern auf die Entstehung und Entwicklung von Fol­gesymptomen der Extremitätenlähmungen (Schmerzen, Kontrakturen, Lymphödeme) bei der ALS auswirkt, muss sich noch in zukünftigen Analysen zeigen.

Dank für Datenspende

Wir möchten uns bei allen Patienten bedanken, die an dieser Bewegungstrainer-Studie teilgenommen haben und Ihre Daten für die Forschung zur Verfügung gestellt haben. Das Forschungsprojekt konnte nur durch ihre geduldige Unterstützung und Datenspende gelingen.

Ihre Ansprechpartnerin für Fragen zur Studie:

Susanne Spittel, M.Sc.
Projektleiterin medizinische Forschung
Mail: susanne.spittel@ap-soziotech.de
Fon: 030 81031410

Die Studie wurde an den folgenden ALS-Zentren durchgeführt: ­ ­
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  • Charité – Universitätsmedizin Berlin, Ambulanz für ALS und andere Motoneuronerkrankungen
  • Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Ambulanz für ALS und andere Motoneuronerkrankungen
  • Universitätsklinikum Jena, Zentrum für neuromuskuläre und Motoneuron-Erkrankungen
  • Alfried Krupp Krankenhaus Essen, Ambulanz für ALS und andere Motoneuron-Erkrankung
  • Universitätsklinikum Bonn – Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen
  • Universitätsmedizin Göttingen – Ambulanz für ALS und andere Motoneuro-Erkrankungen
  • Universitätsklinikum Leipzig – Ambulanz für ALS und andere Motoneuroerkrankungen
  • Universitätsklinikum Dresden – Ambulanz für Motoneuronerkrankungen
  • Diakonissenkrankenhaus Mannheim, Klinik Neurologie


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