Programm

Studie Id-ALS: Identifikation genetischer Veränderungen bei Menschen ALS

Die Studie Id-ALS ist ein Forschungsprogramm zur Identifikation genetischer Veränderungen bei Menschen mit ALS. Die Studie wird durch Ambulanzpartner organisiert. Das Alfried Krupp Krankenhaus in Essen sowie die ALS-Ambulanz der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben das genetische Screening-Programm der Id-ALS Studie bereits im Dezember 2021 begonnen. Die Einbindung von weiteren 15 ALS-Zentren ist im Verlauf der nächsten 6 Monate geplant. Dabei ist die genetische Testung von 1.000 Patientinnen und Patienten bis Ende 2022 vorgesehen. Patienten, die in einem der registrierten ALS-Studienzentren in Betreuung sind, können an dieser Studie teilnehmen.

Das Ziel der Untersuchung besteht darin, genetische Veränderungen bei Menschen mit ALS zu identifizieren, die keine Familiengeschichte einer ALS aufweisen („sporadische ALS“). Betroffene mit einer positiven Familiengeschichte können ebenfalls an der Untersuchung teilnehmen. Diese Studie beruht auf zurückliegenden Forschungs-ergebnissen, dass bei etwa 10% aller Menschen mit ALS genetische Veränderungen in den Genen SOD1, C9orf72, FUS und TARDBP vorhanden sind. Die Ermittlung von genetischen Veränderungen erhält eine zunehmende Bedeutung, da sich neue Medikamente in Entwicklung befinden, die auf eine therapeutische Beeinflussung von SOD1, C9orf72 und FUS abzielen.

Studie Id-ALS

Abbildung 1: Bei der übergroßen Mehrheit der Betroffenen (95%) mit einer sporadischen ALS (S-ALS) liegen keine Informationen über eine ALS-Vorerkrankung bei einem anderen Familienmitglied vor. Bei etwa 5% aller ALS-Patienten ist von einer familiären ALS (F-ALS) auszugehen, d. h. es liegt eine Vererbung innerhalb einer Familie vor. Obgleich S-ALS-Patienten keine Familiengeschichte der ALS aufweisen, können auch bei etwa 7% der S-ALS-Patienten genetische Veränderungen auftreten. Diese Veränderungen werden zumeist im Rahmen von Forschungsprojekten identifiziert. Mit einer gezielten genetischen Diagnostik sind bei etwa 12% der Menschen mit ALS Gen-Mutationen nachweisbar.

Id-ALS SOD1 Mutation

Abbildung 2: Für etwa 20% die familiären ALS-Patienten (F-ALS) sind Mutationen im Gen der Superoxiddismutase (SOD1) bekannt. Etwa 1% der nichterblichen sporadischen Formen der ALS (S-ALS) tragen eine Mutation im SOD1-Gen. Damit liegt für 2% aller Menschen mit ALS eine Mutation im SOD1-Gen vor.

Id-ALS C9orf72 Mutation

Abbildung 3: Für etwa 40% der familiären ALS-Patienten (F-ALS) sind genetische Veränderungen im C9orf72-Gen bekannt. Etwa 5% der nichterblichen sporadischen Formen der ALS (S-ALS) tragen eine Mutation im C9orf72-Gen. Damit liegt für 7% aller Menschen mit ALS eine Mutation im C9orf72-Gen vor.

Die Studie gehört zu den umfangreichsten genetischen Untersuchungen in Deutschland und im internationalen Maßstab. Die Studie wird im ALS-Podcast #13 (Genetische Testung und Id-ALS Studie) vorgestellt. Die Bedeutung genetischer Faktoren bei der ALS sowie deren Relevanz für zukünftige Therapien wird in den Folgen des ALS-Podcasts #4 (Genetik der ALS) , #8 (ALS-Gene) sowie #13 (Id-ALS Studie) ausführlicher besprochen. Weitere Informationen über den Zweck der Studie, den Ablauf, den zeitliche Aufwand, die Möglichkeiten der Ergebnismitteilung sowie die geplanten Studienzentren werden im folgenden beschrieben.

Warum gibt es die Id-ALS Studie?

Der Zweck dieser Studie ist die Erforschung von folgenden Zusammenhängen:

  • Wie häufig sind genetische Varianten in den Genen SOD1, C9orf72, FUS und TARDBP bei Patienten ohne Familiengeschichte einer ALS („sporadische“ ALS)?
  • Wie häufig sind genetische Varianten in den genannten Genen bei Patienten mit der Familiengeschichte einer ALS oder einer Demenz (familiäre ALS)?
  • Besteht ein Zusammenhang zwischen bestimmten genetischen Veränderungen und dem Krankheitsverlauf?
  • Bei welchen Betroffenen lassen sich genetische Veränderungen nachweisen, die eine therapeutische Relevanz haben (z.B. SOD1- oder C9orf72 Mutationen, für die bereits Studien oder Behandlungsprogramme in Vorbereitung oder in Planung sind)?

Wie ist der Ablauf der Studie? 

Eine detaillierte Beschreibung des Studienablaufes ist dem Dokument „Studieninformation für Patienten“ zu entnehmen, das jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer ausgehändigt wird. Nach einer Information und Aufklärung zur Studie wird eine genetische Beratung durchgeführt, die zeitlich sehr variabel ist und im Wesentlichen von der Familienkonstellation und dem Informationsbedürfnis der Studienteilnehmer bestimmt wird. Die Studie besteht aus einer Datenerhebung und der Entnahme einer Blutprobe. Neben krankheitsbezogenen Daten wird die genaue Familiengeschichte (eventuelle Familienmitglieder mit ALS, Demenz oder anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen) erfasst. Weiterhin wird die ALS-Funktionsskala (ALSFRS-R) und ein kurzer Fragebogen zur Erwartung gegenüber einer zukünftigen genetischen ALS-Therapie erhoben. Anschließend erfolgt eine Blutentnahme aus einer Vene, die zur genetischen Analyse in ein humangenetisches Labor versendet wird. Das Ergebnis wird zu einem späteren Zeitpunkt mitgeteilt. Die Beratung, Befragung und Blutentnahme erfolgen durch den Studienarzt oder durch eine Studienassistentin („Study Nurse).

Welcher zeitliche Aufwand ist mit der Studienteilnahme verbunden?

Die Studie besteht aus einer Datenerhebung und der Entnahme einer Blutprobe. Für die genetische Analyse wird eine Blutentnahme (10 ml) aus der Vene notwendig, die durch medizinisches Fachpersonal entnommen wird. Der zeitliche Aufwand für die Befragung und Blutentnahme liegt zwischen 20 und 30 Minuten. Hinzukommt die genetische Beratung, die zeitlich sehr variabel ist und im Wesentlichen von der Familienkonstellation und dem Informationsbedürfnis der Studienteilnehmer bestimmt wird. Dazu kommt die Erhebung der ALS-Funktionsskala (ALSFRS-R) von zu Hause, die im Abstand von 3 Monaten wiederholt wird. Die Befragung zur ALSFRS-R-Skala dauert 5-10 Minuten.

In welchem Abstand wird die genetische Analyse vorgenommen?

Die genetische Analyse der 4 ausgewählten Gene (SOD1, C9orf72, FUS und TARDBP) erfolgt nur einmalig. Die Studienergebnisse, verbunden mit einer genetischen Beratung, werden zeitlich verzögert mitgeteilt – zumeist mehrere Monate später, nach Eingang der Analyseergebnisse aus dem genetischen Labor in Wien. Die Erhebung der ALS-Funktionsskala (ALSFRS-R) wird im Abstand von 3 Monaten über einen Zeitraum von 12 Monaten wiederholt. Die Erhebung der ALS-Funktionsskala (ALSFRS-R) ist durch eine Selbstbewertung von zu Hause aus, über das persönliche Konto auf der Ambulanzpartner-Plattform oder über die mobile Smartphone-App, „ALS-App“, vorgesehen.

Wie lange wird die Studie durchgeführt?

Das Vorhaben ist für 2 Jahre konzipiert und von der Ethikkommission der Charité mit einem positiven Votum bis Dezember 2023 unterstützt worden. Sollte nach einem Ablauf von drei Jahren noch Forschungsfragen offen sein, würde eine Verlängerung der Studie beantragt werden.

Wie erfolgt die genetische Analyse?

Für die genetische Analyse erfolgt am Studienzentrum eine Blutentnahme aus einer Vene (üblicherweise aus der Armvene). Die Blutprobe wird am Studienzentrum mit einem Pseudonym versehen und gemeinsam mit den Fragebögen (die ebenfalls lediglich ein Pseudonym enthalten; ohne erkennbare Personendaten) zu Ambulanzpartner nach Berlin versendet. Dort erfolgt eine Kontrolle über die Vollständigkeit der Daten und zentrale Versendung an das genetische Labor der ARCHIMED Life Science GmbH („ARCHIMED Life“) in Wien, Österreich. In einem ersten Schritt die Analyse wird aus der Blutprobe genetisches Material gewonnen. In einem zweiten Schritt wird mit speziellen molekularbiologischen Methoden die eigentliche genetische Analyse vorgenommen. Dabei werden genetische Veränderungen in den folgenden Genen untersucht: SOD1, C9orf72, FUS und TARDBP. Das genetische Labor ARCHIMED Life ist sowohl für Forschungsarbeiten als auch für die Durchführung einer humangenetischen Diagnostik qualitätskontrolliert und zertifiziert.

Wie wird das Ergebnis der genetischen Analyse mitgeteilt?

Das genetische Labor stellt das pseudonymisierte Ergebnis über eine Studiensoftware der Studienkoordination von Ambulanzpartner zur Verfügung. Vor der Einwilligung wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie gebeten, zwischen unterschiedlichen Optionen bei der Mitteilung der genetischen Studienergebnisse zu entscheiden:

  • Keine Mitteilung der genetischen Studienergebnisse
  • Mitteilung aller genetischen Studienergebnisse
  • Mitteilung der genetischen Studienergebnisse bei therapeutischer Relevanz

Diese Festlegung wird in der Einwilligungserklärung zur Studie und in der Studiensoftware dokumentiert. In Abhängigkeit von dieser Festlegung wird das pseudonymisierte genetische Ergebnis über die Studiensoftware an das Studienzentrum weitergeleitet. Dort wird das Pseudonym entschlüsselt und das genetische Ergebnis – im Rahmen einer genetischen Beratung – den Patientinnen und Patienten mitgeteilt.

Wo wird die Id-ALS-Studie durchgeführt?

Die Id-ALS--Studie wird an mehreren ALS-Ambulanzen in Deutschland angeboten. Die folgenden ALS-Ambulanzen nehmen an der Studie teil (Nennung in alphabetischer Reihenfolge). Bei der Teilnahme von ALS-Ambulanzen an der Id-ALS-Studie ist zu berücksichtigen, dass die genannten Einrichtungen zu verschiedenen Zeitpunkten der Studie beitreten und mit unterschiedlichem Umfang an der Studie mitwirken.

  • Aachen: Universitätsklinikum Aachen, Neurologische Klinik, Neuromuskuläre Ambulanz
  • Berlin: Charité – Universitätsmedizin Berlin, Ambulanz für ALS und andere Motoneuronerkrankungen
  • Bochum: Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil gGmbH, Neurologische Klinik, Ambulanz für ALS
  • Bonn: Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie, Motoneuronambulanz
  • Dresden: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden - Ambulanz für Motoneuronerkrankungen
  • Essen: Alfried Krupp Krankenhaus, ALS-Ambulanz
  • Essen: Universitätsklinikum Essen, Klinik für Neurologie, Zentrum für Neuromuskuläre Erkrankungen
  • Göttingen: Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Neurologie, Spezialambulanz für Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
  • Halle: Universitätsklinikum Halle, Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie, ALS-Sprechstunde
  • Hannover: Medizinische Hochschule Hannover, Neurologische Klinik, ALS- und Muskelambulanz
  • Jena: Universitätsklinikum Jena, Hans-Berger-Klinik für Neurologie, Ambulanz für neuromuskuläre und Motoneuron-Erkrankungen
  • Leipzig: Universitätsklinikum Leipzig, Poliklinik für Neurologie
  • Lübeck: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Neurologische Klinik
  • Mannheim: Diakonissenkrankenhaus Mannheim, Sprechstunde für Motoneuronerkrankungen und ALS
  • Mannheim: Universitätsklinikum Mannheim, Neurologische Klinik, Sektion Neurodegeneration, ALS-Ambulanz
  • München: Klinikum rechts der Isar, Poliklinik für Neurologie, Ambulanz für Motoneuronerkrankungen
  • Münster: Universitätsklinikum Münster, Klinik für Neurologie mit Institut für Translationale Neurologie
  • Rostock: Universitätsmedizin Rostock, Neurologische Poliklinik, Ambulanz für Motoneuronerkrankungen/ALS

Warum ist die Nutzung der „ALS-App“ während der Studie vorgesehen?

Mit der ALS-Funktionsskala (ALS Functional Rating Scale revised, ALS-FRS-R), einem Fragebogen zu 12 motorischen Funktionen, die bei der ALS betroffen sein können, wird der Schweregrad der Erkrankung und der Verlauf der ALS systematisch erfasst. Die Erhebung der ALS-Funktionsskala (ALSFRS-R) ist durch eine Selbstbewertung von zu Hause aus, über das persönliche Konto auf der Ambulanzpartner-Plattform oder über die mobile Smartphone-App, „ALS-App“, vorgesehen. Die Erhebung der ALSFRS-R wird im Abstand von 3 Monaten über einen Zeitraum von 12 Monaten wiederholt. Die Erhebung dauert 5-10 Minuten. Mit der regelmäßigen Erhebung der ALSFRS-R-Skala soll eine wissenschaftliche Verbindung zwischen dem Krankheitsverlauf und dem genetischen Status herstellt werden. Damit wird die Frage bearbeitet, ob der ALS-Verlauf, gemessen an der ALSFRS-R-Skala, Unterschiede zwischen Patienten in Abhängigkeit genetischen Befund aufweist.

Wie erhalte ich weitere Informationen zur Id-ALS-Studie?

Über die Abläufe der Studie informiert eine schriftliche Studieninformation, die im Studienzentrum ausgehändigt und besprochen wird. Zusätzlich ist die Klärung offener Fragen durch eine Studienärztin und Studienkoordinatorin – ebenfalls am jeweiligen Studienzentrum – möglich und notwendig. Die Studienteilnahme setzt ein informiertes Einverständnis, eine genetische Beratung und die vorausgegangene Klärung offener Fragen voraus.

Wir bedanken uns für Ihr Interesse. Für Fragen zur Studie steht Ihnen Frau Peggy Schumann gerne zur Verfügung.

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